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Vita - Presseclipping

Yvonne Pouget ist freischaffende Regisseurin, Dramaturgin, Choreografin und Tänzerin.
Sie erhielt ihre Tanzausbildung in Japanischen Butoh Tanz bei Ko Murobushi und Carlotta Ikeda. Aus dem Japanischen Butohtanz entwickelte Pouget ihre einzigartige Bühnensprache und Form von katharisobewirkenden Muisktanztheater.

Sie inszeniert und tanzt seit 1992 hauptberuflich. Ihre Tanztheater, die für die Essenz des Psychischen stehen, werden im In- und Ausland vom Publikum wie von der Presse ausnahmslos begeistert aufgenommen: „Italian-born and Munich based, Yvonne Pouget has developed a reputation as one of Europe’s leading choreographers“ (Plank Magazin, Vancouver International Dance Festival 2011).

Seit 2000 wurde Pouget für ihre Arbeit mit sieben Individualförderungen sowie mehrere Stipendien des Kulturreferat der Landeshauptstadt München ausgezeichnet. Pouget´s Markenzeichen ist neben der seelischen Tiefe ihrer Arbeiten Künstler anderer Sparten wie die weltweit bekannten Operntenöre Pino De Vittorio, Gianni Lamaga, den Countertenor und Bayrische Kammersänger Christopher Robson, die Obertonsängerin Anna-Maria Hefele oder der langjährige Bühnenpartner Pouget´s Giacomo Di Benedetto nahtlos mit ihren technisch immer herausragenden Tänzern ineinander zu inszenieren.

Im Laufe der Jahre ihrer künstlerischen Karriere verfolgte die Künstlerin intensive Forschungen zu verschiedenen Bewegungssystemen und Möglichkeiten sich nonverbal über den Körper auszudrücken und mit der Umwelt zu kommunizieren. Als Resultat hat sie eine weltweit einzigartige eigene Bühnensprache entwickelt, die sich durch kinästhetisch sehr feinstofflichen fazialen Spannungsveränderungen auszeichnet, und mit der es der Künstlerin gelingt, kulturell unabhängig anspruchsvolle Inhalte und Botschaften nonverbal zu kommunizieren.

Die zurückliegenden 17 Jahre hat sich die Künstlerin darüber hinaus intensiv wissenschaftlich begleitet mit dem Themenkreis posttraumatische Belastungsstörung, Dissoziation, weiblichen Körperbildstörungen sowie der Weitergabe von Kriegstraumata an die nächsten Generationen beschäftigt.
Yvonne Pouget gilt heute zu recht als Expertin und Pionierin für die Umsetzung dieser anspruchsvollen Themen, ihre Arbeiten zur Thematik „Trauma und Traumafolgestörung“ dargestellt in Ausdruck und Tanz sind etwas, was es so weltweit sonst nicht gibt.

Neben der künstlerischen Bearbeitung diese Themen hat Pouget Pionierarbeit in der Entwicklung eines spezifischen Fascial Flow Training als Trauma Komplementär Therapie geleistet. Wissenschaftlich begleitet hat die Choregraphin dabei u.a. die Forschungen von Stephen Porges, Peter Levine, Besel van der Kolk, David Grant, Fredric Schiffer und David Berceli ausgewertet. Und über eigene Feldforschung mit den Körpertherpieformen TRE (Traum Release Exercies), Myofaszial Unwinding, Myoreflextherapie, und in der Auseinandersetzung mit den in Süditalien beheimateten Tarantismus, einem therapeutischen Musikritual, hat Pouget ihr spezifisches Fascial Flow Training bei Traumarisierung und chronischen Schmerzen entwickelt. Yvonne Pouget wurde als Expertin in die 2016 neu etablierten Arbeitsgruppe für „Körperorientierte Verfahren in der Traumatherapie“ der „Deutschsprachigen Gesellschaft für Psychotraumatologie“ (DeGPT) eingeladen. Sie nahm als Dozentin bei den Treffen der AG im Jahr 2016 teil, und hat der Arbeitsgruppe und der DeGPT ihre wissenschaftliche Grundlagenforschung zu Fascial Flow Training zur Verfügung gestellt.

Ihre Kunst, die sie selbst als eine Reduzierung des Äußeren auf die Essenz, als einen Akt der symbolischer Wunscherfüllung definiert, nimmt durch ihre eigene Bühnensprache, die poetische Kraft, und die radikale seelische Tiefe in der freien Tanzszene eine Sonderstellung ein. Ihre „Körpersprache der Poesie“ eröffnet in der Welt auf der Bühne das, woran die Realität scheitert und wird zu einer Art „Flügelbaubewilligung“ für die Seele. Ihr gelingt es, persönliche Emotionen in universelle umzuwandeln, und dem Publikum so tiefe seelische Welten zu erschließen: Mit ihren spezifischen Ausdrucksmitteln werden ihre Tanztheater zu einer klaren Aufforderung für den Zuschauer in sich selbst hineinzuschauen und die Masken die wir alle im Alltag tragen, und die Rollen die wir spielen kritisch zu hinterfragen, und den Mut zu finden auf beides zu verzichten. Um so seelisch entkleidet pur und befreit wieder einen Respekt vor dem eigenen Sein wiederzuentdecken, die der Sorg der modernen Gesellschaft in einen leeren Abgrund reißt.

Ihre letzten Produktionen:
Im Oktober 2016 brachte Pouget in Neapel in der Basilika San Paolo Maggiore “La Cattedrale nel vento” mit Gianni Lamagna, Anna-Maria Hefele, Pasquale Ziccardi, Michele Signore, Giacomo Di Benedetto sowie Nadine Gerspacher und Elien Rodarel als Gastspiel zur Aufführung. Im Juni 2016 war Premiere von “Lo Spirito del cuore”, in der Kirche St. Paul, ein Tanzduett das die Verbindung von innerem und äußerem Menschen auslotet. Die Matrix der Faszien wurde als Kommunikationssystem untersucht und der innere Kosmos, der „Körper im Körper“ fühlbar in den Kirchenraum projiziert.
Anfang 2014 realisierte Pouget zuerst in München, und dann im Anschluss als Gastspiel in Taranto / Italien als überarbeitete Wiederaufnahme ihre Produktion „Identià – Wallfahrt für die Liebe“ mit Pino De Vittorio ials enormen Erfolg. Im November 2014 stand die Uraufführung von „La Cattedrale nel vento“ in München. „Die Füsse und Ohren der Engel – Leben mit Ersatzteilen“ eine Tanzproduktion über das Thema Prothetik in Kooperation mit dem Deutschen Museum feierte im November 2013 im Zentrum Neue Technologien, im Deutschen Museum München, Premiere, und wurde wie alle anderen Produktionen vom Publikum wie der Presse begeistert aufgenommen.

Presseclipping kurz:
CU(L)T Magazin//Nachbericht (Silvia Aulehla) in der Ausgabe 1/2016 zu
„Das Geisterherz (Lo spirito del cure) – Der innere Körper“
von Yvonne Pouget

Ein ungewöhnlicher Tanzabend hatte in München Premiere: Inszeniert von der Ausnahmekünstlerin, Regisseurin und Tänzerin Yvonne Pouget boten sie und ihr Tanzpartner Elien Rodarel unter dem Titel Das Geisterherz eine eindringliche Bühnenpräenz, die – von einem organisch roten Faden durchzogen – auf einer Verschmelzung des japanischen BUTOH-Ausdrucktanzes mit zeitgenössischen Tanztechniken beruht. In dieser neuen Produktion trifft Pouget direkt ins Herz, in das Zentrum, was es bedeutet ein Mensch zu sein – und berührt erneut mit ihrer komplexen und eigenwilligen choreographischen Sprache.
In einem stillen, nur von Gesang unterlegten, Solo konzentriert sich Yvonne Pouget meditativ auf das biografische Gedähtnis der Faszien, indem sie deren Spannungszustände mit ihrer Mimik und Gestik andeutet und die Bewegungen des inneren Körpers an die Oberflähe projiziert. Es sind poetische Bilder der mühsamen Versuche, die physisch auferlegte Begrenztheit über die Haut hinaus zu überwinden – solange, bis der innere Körper als Körper des Seelischen sichtbar wird und sich entfaltet. Ein wunderbarer Solotanz von Elien Rodarel unterstreicht diesen Akt der Befreiung. Berührend im dritten Teil das Pas de deux, das den inneren Kosmos als “Körper im Körper” wie einen schmerzvollen Geburtsvorgang beschreibt und plastisch darstellt.

St. Paul, München „Lo Spirito del cuore“ („Das Geisterherz“)
Zeitensprung, von C.M. Meier, Theaterkritiken

In einem Zufluchtsort für die Seele, der St. Paul Kirche in München, brachte Yvonne Pouget das Thema menschliche Innenwelt vor das Publikum. Mit den Mitteln des Butohtanzes, den kleinen Gesten und der ausdruckstarken Mimik, entwickelte sie eindringliche Bilder…
Yvonne Pouget hob den schwarzen Schleier des kleinen Hutes, den Ausdruck des Schmerzes des Herzens zelebrierend. Die Arie steigerte die Gefühlsübertragungen der Tänzerin. Der Weg des Menschen bis zu seiner Erlösung ins Jenseits, die Befreiung der Seele vom Leib…
…Auf die Wand über das hintere Ausgangstor projiziert, gleich einem Seelenwesen breitete Yvonne Pouget die Arme zur Seite, folgte mit leisen Tönen der verbindende Teil zur Gegenwart. Die verklärte Heiligkeit, die Abstraktion des Daseins, in verschieden Formen…
…in nuancierte Farben gekleidet, drückte Yvonne Pouget im zweiten Teil die Befreiung der Seele durch Wissen aus. Unter dem ausladend gefächerten Rock gleich einer Geburt kam Elien Rodarel hervor. Wie der Mensch aus dem Staub, dem Stein. Im Tanz – dem Gipfel der Wortlosigkeit – finden die Gefühle ihren Ausdruck in der Welt. Brillant.

Welten von Seelen Kritik in der Abendzeitung, Kultur // Kritik vom 29. November 2014
„La Cattedrale nel vento“ im i-camp: ein sinnlicher Bilderreigen aus Tanz, Theater und Musik von Yvonne Pouget

Yvonne Pouget liegt das tiefgründig Rätselhafte. Ihr innerer Antrieb dabei ist das Wachrütteln der Sinne. Immer wieder verpackt sie Leid und Wunschvisionen nach einer humaneren Gesellschaft in bewegte Bilder wunderbarer Theaterpoesie. Sie klammert stilsicher das ungebührlich Laute, Plakative aus. Obwohl gerade die Auseinandersetzung mit Traumata Bloßstellung oder Entwürdigung des Individuums ihr Thema sind. So geling ihr auch in ihrer jüngsten Musiktanztheater-Kreation „La cattedrale nel vento“ („Die Kathedrale im Wind“) unaufdringlich die Sensibilisierung für eindrucksvolle Momente seelischer Verzweiflung und psychischer Versteinerung, die sie in Passagen voll behutsamer Intimität und Zweisamkeit kulminieren lässt. Absolut berührend das Duett des Multitalents als Obertonsängerin und Instrumentalistin Anna-Maria Hefele mit Pougets neapolitanischen Produktionsgast, dem fabelhaft-charismatischen (Lied-)Sänger Gianni Lamagna, im letzten Drittel der insgesamt 75-minütigen Uraufführung.
Es ist nicht die einzige Nummer, die die Münchner Choreographin, selbst gebürtige Neapolitanerin, der italienischen Gesangstradition widmet. Gleich zweimal, unterstützt durch Pougets langjährigen Bühnenpartner Giacomo Di Benedetto und den Gitarristen Pasquale Ziccardi erklingt die „Villanella a Ballo“ aus Roberto De Simones Oper „La Gatta Cenerentola“. Dazwischen tauchenzwei CD-eingespielte Tarantellen – die eine von Pino De Vittorio, die andere von De Simone – das Stück in melodisch mitreißendes Flair. Als choreografisches Pendant zaubern Annett Göhre und Elien Rodarel (nach anfänglicher skulpturaler Verhaltenheit) einen Pas de deux von virtuoser Steigerung in den Raum…

…als Gesamteindruck, das Tanz inhaltlich weiter greifen kann als Worte, was Pouget so schön entschleunigenden mit ihrer eigenen, minimalisitsch im Butoh-Tanz verzwurzelten Körpersprache eröffnet: die eindrückliche Visualisierung von Schmerz…das Tanz inhaltlich weiter greifen kann als Worte beweist sie nochmals zum Schluß mit einem famos reduzierten Bewegungsfluß. Zärtlich umfängt er Di Benedetto. Beim Betrachter dagegen bringt er tatsächlich die Gedanken zum Schwingen. Vesna Mlakar

Süddeutsche Zeitung, Montag, 1. Dezember 2014, Nr. 276, Kultur, R22

Sinnlich

Das Musik-Tanz-Theater „La cattedrale nel vento“ – Die Kathedrale im Wind“ von Yvonne Pouget gerinnt zunehmend zu einem Erleben des befreit Zuhörens und Zuschauens. Es ist ein Abend der Wahrnehmung, bei der die Sinne geschärft werden, in Meditation münden…Man muss sich den langsamen Bewegungen von Armen, Händen und Beinen dieser weiblichen wie männlichen Sänger, Tänzer und Schauspieler aus verschiedenen Generationen schlicht hingeben. In verschiedensten Kombinationen der Künstler und Künste bewegt man sich minimalistisch wie im Butoh-Tanz, erlebt der Zuschauer rituelle Gesten wie im archaischen Theater… durch den italienischen Text erfährt alles seine poetische Konkretion, Gesang der Liebe, der Verführung und des Begehrens. Dabei ist das Ganze auf besondere Weise mit Bedeutung aufgeladen, in der Hören und Sehen, Singen und Spielen eins werden.

Theaterkritken München C.M. Meier
i-camp La cattedrale nel vento von Yvonne Pouget

Es war einmal …

Yvonne Pouget griff für ihr Musiktanztheater „Kathedrale im Wind“ das Thema Intimität und Scham auf, führte über feinsinnige Bilder an dieses menschliche Grundbedürfnis heran. In einer Zeit, in der Voyeurismus und Exhibitionismus das Tagesgeschehen lautstark öffentlich beherrschen, ist dies ein gewagtes Ansinnen. Wer es wagt die Aufführung zu besuchen, wird bezaubert, auf wundervolle Weise in einen Tempel für die Seele geführt und erfährt die tiefe Dimension von in Überlieferung gewachsener Kunst…

…Gianni Lamagna erhob seine Stimme und sich aus dem Bühnenhintergrund. Der begnadete Sänger erfüllte mit den sinnlich poetischen Klängen neapolitanischen Temperaments. „ Dimme na vota sola: Te voglio bene“. Ein Zustand vergleichbar einem Plasmaraum machte sich breit. Dann erhoben sich Giacomo Di Benedetto und Elien Rodarel und gemeinsam öffneten sie die Pforten, wie ein Schmetterling die Flügel zum Flug. Und wie zarte helle Schmetterlinge tanzten Annett Göhre und Elien Rodarel. Körper, Sinnlichkeit, suchten in Selbsterkenntnis, in Begegnung Erfüllung. Illusion des reinen Seins…

…Es bedarf gelebter Liebe im Tun um sie in die Welt zu tragen, es bedarf Abenteuerlust und Verständnis, um sich auf ihre Fertigkeit einzulassen, sie zu teilen. Beides erfüllte den Raum des i-camp…
welch wundervolle Lebendigkeit! Aufrechte unvergessliche Kraft strahlte im Licht, Lächeln auf den Gesichtern der Tänzer kündete Freude. Die Worte „Dormi, tesoro mio, qui sul la mia seno“ erklangen in der Kathedrale des Windes.
… Es ist gegenwärtig

Acess to dance / Kritik vom 1. Dezember 2014

DIE WIEDERGEFUNDENE INTIMITÄT DER SEELEN
Es bleibt dabei, Yvonne Pougets Gesicht ist eine eigene Theaterbühne…
…der Abend ist immer dann am stärksten, wenn Yvonne Pouget auf der Bühne steht und sich bewegt. Zusammen mit Giacomo di Benedetto führt sie gegen Ende eine Ganesha-Formation an, mit den wogenden, erhobenen Armen der anderen Darsteller im Rücken. Ein Paar an der Front dieser indischen Pose ist neu und eine glänzende Idee! Sonst eher bedrohlich, wirkt die Figur hier viel freundlicher und zärtlicher – die Arme greifen nicht an, sie streicheln den Wind oder den Partner. Und Yvonne Pougets Gesicht übersetzt dazu den Begriff “Glück” in die Weltsprache der Mimik…Yvonne Pougets Ausdruckskraft wird, so scheint’s, immer stärker, je mehr die Jahre verstreichen.

Kritik // 3. März 2014 Gastspiel Identitá- Pelegrinnaggio al´amore“, Taranto / Süditalien, Auditorium TáTà, Tagespresse, von Giovanni Fornaro

Identität und Intensität im Theater: Die magische Aufführung von Yvonne Pouget und Pino De Vittorio

Das Tanztheater von Yvonne Pouget trifft direkt ins Herz. Es ist unnachgiebig und nicht gefällig. Es will anklagen und betroffen machen, es taucht tief in die Windungen und Wunden der menschlichen Seele, in die Seele der Erwachsenen und der Kinder, und in die der Schwächeren und der Letzten der Gesellschaft. Dem Besucher gelingt es nicht unberührt und gleichgültig zu bleiben; man wird vom Sog der Bilder gefangen genommen, und wird gezwungen die Kraft des Schauspiels zu fühlen, das zum Leben und Blut erweckt wird. Und ebenso ist es den glücklichen Zuschauern ergangen, die am 28.02.2014 im Auditorium TATÀ die Aufführung des Tanztheater „ IDENTITÀPELLEGRINAGGIO ALL’AMORE“von Yvonne Pouget mit Pino De Vittorio beiwohnen durften. Die Aufführung fand im Rahmen der 70° Konzertreihe der „ASSOCIAZIONE AMICI DELLA MUSICA“ mit Unterstutzung des Kulturreferats der Stadt München statt. Premiere hatte das Stück bereits im Jahr 2009, und nun 5 Jahre später, fand eine Wiederaufnahme zuerst in München, für 4 wunderbare Abende, und dann als Gastspiel in Taranto statt.
Die langjährige Arbeit von Yvonne Pouget über die post-traumatischen Folgen der irreversiblen Schäden, die Menschen im Krieg erlitten haben ist weltweit anerkannt.
Ganz besonders ist die Umsetzung des Themas in einer einzigartigen Tanzsprache, die entwickelt aus dem japanischen Butoh Tanz, eine ganz besondere und tief-intensive Auslegung im Zusammentreffen mit dem Sänger und Schauspieler Pino De Vittorio findet. Der ursprünglich aus Leporano stammende, sehr bekannte Künstler begann seine musikalische Laufbahn bereits in den 70 er Jahren mit der Gruppe PUPI e FRESEDDE. Danach folgen zuerst zahllose Produktionen von Roberto de Simone ( davon würde viele auch im Theater ORFEO in Taranto aufgeführt), und im Anschluß zahlreiche Opern und Konzertaufführungen, mit wichtigen Orchestern und Ensembles, wie den „Turchini“ unter der Leitung von Antonio Florio oder „Accordone“. Darüber hinaus tritt De Vittorio auch mit eigenen Solo Programmen auf, bei denen er sich dem Bewahren und der Wiederbelebung eines regionalen musikalischen Erbes und oral weitergegebenen Gesangstraditionen widmet, wie mit die Sammlung der „Tarantelle del Rimorso“ oder mit seiner letzte CD „Siciliane“.
Der Anfang der Aufführung präsentiert Pouget in einer reduzierter Lichtstimmung mit einer herzzerreißenden Soloperformance, bei der Körper der Choreographin und Tänzerin sich in einem Kostüm, das gewollt jede Körperlichkeit verdeckt und deformiert, extrem langsam bewegt. Minimalistische Gesten und stummen Schreie unterstreichen dabei die tragische Einsamkeit und die intimsten Traumata der Darstellerin. Musikalisch unterlegt ist die Szene am Anfang von einer elektronischen, hypnotischen Musikschleife, darauf folgt ein gesungenen Titel der berühmten und faszinierenden rumänischen Sängerin Maria Tanase. Ihre Stimme, mehr geschrien als gesungen, überlagert dabei die Bewegungen von Yvonne Pouget, die durch plötzlichen Zuckungen im Körper auf die Musik, oder genauer gesagt auf das Leben reagiert und sich dabei von den Kleidern, nunmehr nutzlose Behinderung, befreit.

Direkt danach erscheint De Vittorio mit seinen Tarantate auf die Bühne. Er geht barfuss, wie alle andere Teilnehmer, was noch einmal mehr den archaischen Charakter des Stückes betont, den meridionalen archetypischen, südländischen Hintergrund. Ihren Ausdruck findet dies weiter durch den eindringlichen Gesang einer antiken weiblichen Stimme oder durch ein wunderschönes Schlaflied, dieses wiederum gesungen von De Vittorio mit großer Intensität und Präsenz.
Die musikalische Bandbreite, in der sich De Vittorio zwischen und neben den beiden hervorragenden Tänzern Mikiko Kawasaki und David N. Russo bewegt reicht von liturgischen Liedern bis hin zu Liebesliedern, vorgetragen in verschiedenen Dialekten (salentinisch oder sizilianisch) und Sprachen ( ein Lied ist auf altgriechisch). Die beiden Tänzer beschreiben dabei das wie immer schon mehrschichtige und ambivalente Verhältnis zwischen Mann und Frau, zugleich stark, sanft und grausam. Begleitet wird die Stimme De Vittorios durch exzellenten Gitarist Marcello Vitale, den langjährigen musikalischer Begleiter des Sängers bei zahlreichen Aufführungen der traditionellen Musik aus mündlicher Überlieferung. Vitale, ein wahrer Chitarra Bettente Virtuose erfüllt den Raum darüber hinaus auch mit einem atemberaubenden Solo auf der Chitarra battente, die in manchen Momenten an einem arabischen Oud erinnert.
Ganz besonders tiefgründig ist De Vittorio in seiner Interpretation der traditionellen Titel wie “Tu bella ca tieni lu pettu tundu” oder eines teilweise inhaltlosen Abzählreim, “Oh rre rre”. Zwischen diesen Musikstücken bewegen sich die zwei Tänzer oder Yvonne Pouget, und dabei bewegen sie sich, berühren sich oder rollen auf der Bühne als einer Metapher für das Leben und das Leid. Jedoch bleibt all das nicht ohne Mitgefühl, ohne das Aufleuchten einer Pietà, so wie in jenem Moment, in dem Yvonne Pouget sich mit der verrenkten Körperlichkeit einer Tarantata auf dem Boden windet, während die Tänzer und De Vittorio nahe aneinanderrücken und sie beobachten, sich dabei in einer idealen mitfühlenden Umarmung fest umschlungen haltend.
Nach Corporalità, das beim Pasiello Festival in 2012 präsentiert würde ( ohne den Sänger De Vittorio, der dabei nur durch seine Stimme auf CD „anwesend“ war) war es eine sehr besondere, gleichzeitig ganz neu und doch uralte Erfahrung Yvonne Pouget zusammen mit de Vittorio live wiederzusehen, in einer Produktion, die zurück zum Ursprung, zu den Wurzel geführt hat. Dies wurde von einem tief berührten, begeisterten Publikum im Auditorium TATÀ in Taranto mit einem überzeugenden Applaus gewürdigt.

Aktuelle Kritik Yvonne Pouget, Februar 2014 THEATERKRITIKEN Identità. Pellegrinaggio all’ amore – Identität. Wallfahrt für die Liebe
Viva la vita
Die umfassendste Form von Lebensausdruck ist die Kunst. Und, ein Kunstwerk gelang Yvonne Pouget mit dem Musiktanztheater „Identità – Pellegrinaggio all‘ amore“. Wesen und Seele in traditioneller Tanzform sichtbar zu machen und über eindringliche Bilder die „Weitergabe von Kriegstraumata an die nächsten Generationen“ zu veranschaulichen, gibt die Choreographin, Regisseurin und Tänzerin als Anliegen preis. Sie übersetzte es in die allegorische Figur der „Fanciulla“, die für ganze Generationen steht. Für die Generationen der Großeltern und der Eltern, welche durch zwei Weltkriege die Freiheit der Seele und damit einen Teil ihrer selbst verloren.
Im schwarzen Bühnenraum kauerte eine Frau (Yvonne Pouget) in langem Kleid und mit stilisierter Haube auf dem Boden. Allein ihr und ihren zurückhaltend zögerlichen Bewegungen folgte das Licht. Die Augen geschlossen, der Mund schmerzvoll zum unhörbaren Schrei geöffnet, zeigte jede Geste Leid. Bedrohlich metallische Töne überlagerten die leise Musik. Langsam gelang es ihr sich aufzurichten, mit ersten Tanzschritten zu Lebendigkeit zurückzufinden. Zu immer mehr Lebendigkeit, die sie die alten Kleider abstreifen ließ, sich als Frau erkennen und die Gegenwart erreichen. 
Ein Mann erschien im Hintergrund, von seinen Lippen kam das „Wiegenlied der Rose“. Mit Poesie rief er die Erinnerung an Leben wach, an Begegnung, ja an Liebe gar. „Ti vuogghiu beni, ti vuogghiu beni“ , wofür ihm mit einem zarten Kuss die Zuneigung erwidert wurde. Pino De Vittorio pflegt die traditionelle Musik seiner Heimat, trägt sie über die Welt und gehört zu den berühmtesten zeitgenössischen Barockinterpreten. Die Leichtigkeit und Farbigkeit seines Gesanges berührte, versetzte das Sein in Schwingung. Zu seinen Füßen zwei entblößte Körper, natürliche Wesen, die nebeneinander erste Bewegungsversuche vollzogen und mit neugierigen Augen die Umgebung absuchten, sich erkannten.
Seit Jahrhunderten beschäftigt die Seele die Menschen. Von Homer, der die Psyche als Substanz des Körpers beschrieb, über Heraklit, Demokrit und Diogenes spannt sich der Bogen. Platon definierte sie als das einheitsstiftende Merkmal des Menschen und Aristoteles führte diese Betrachtungen fort. In der Neuzeit wurden die Vorstellungen ausgeweitet und auf alles Lebendige übertragen. Descartes brachte darüber hinaus das Bewusstsein ins Spiel, bis der Materialismus alle psychischen Vorgänge auf körperliche Prozesse reduzierte. Doch ist die Seele nun das Bewegende oder das Bewegte?
Wie das Wasser die Materie zu Leben erweckt, so erweckt die Seele den Menschen zu Leben. Drei Aggregatzustände des Wassers werden definiert – gasförmig, flüssig, fest. Die Gemeinschaft der Menschen findet sich in der Weltseele, in der Erdatmosphäre, gasförmig. Der menschliche Körper besteht zu fünfzig bis sechzig Prozent aus Wasser. Es fließt vom Mund über den Scheitel bis zu den Zehen. Es trägt die körpereigenen und die zugeführten Substanzen in alle Zellen, verteilt Endorphine ebenso wie die Säure des Weins und die Kohlehydrate der grünen Erbsen. Es speichert die Stoffe und damit die Empfindungen zur Essenz der Befindlichkeit des Körpers. Im See der Gefühle zu baden, darin aufzugehen, in Harmonie zu schweben, zu schwimmen, Ausgeglichenheit zu fühlen und Geborgenheit zu erfahren. Das sind nur einige der sinnlichen Erfahrungsmomente, welche über die Mischung von Wasserstoff und Sauerstoff im Körper angeregt werden und die mit Wohlgefühl verbunden sind. Wasser im festen Zustand sehen wir als Eis, die Strukturen der Kristalle prägen sich als Bilder ein – das Eis der Polkappen des Planeten, das Eis des Winters, welches vom Himmel fällt. Und, das Eis in den Menschen, welche einem Schockmoment der umfassenden Existenzangst ausgesetzt, erstarren. Wurde der Fluss des Daseins in einem Körper unterbrochen, so braucht es vor allem menschliche Wärme und die Übertragung von Lebendigkeit, um den Zustand zu überwinden und die Verbindung mit dem Bewusstsein und dem Körper wiederherzustellen.
In der apulischen Region Salento in Italien wird seit Jahrhunderten die Pizzica gepflegt. Diese Tarantella fasst die Lebendigkeit der Region zusammen in eine berauschende Kraft, eine bewegende und somit eine lösende. Die Komposition aus Feuer, beschwingter Atmosphäre und blühender Poesie erregt die Sinne und lässt die Musik als Lebens- und Heilmittel erfahren, unmittelbarer als eine Tasse Kräutertee oder ein Bad im Moorteich. Ihre Nähe zur geistigen Natur greift auf die elementaren Freuden zurück, beseeligt. Nicht umsonst holte man bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts die Musiker zu Traumatisierten. Heute, in einer Zeit in der Lamettrie (Der Mensch ist nur Körper, Maschine.) und die neurologischen Mechaniker wie Priestley den Tenor bestimmen, kann eine Begegnung mit einer komplexeren Urkraft unvergleichlich wertvoller und bereichernder empfunden werden. Vorausgesetzt natürlich, man ist bereit sich auf die Erfahrung einzulassen. Marcello Vitale spielte die Chitarra Battente, begleitete den Gesang von Pino De Vittorio und trat mit einem Solo ins Licht.
Das Spektrum des Tanzes in der Inszenierung reichte vom rituellen Stampfen in den festgelegten Schritten eines rumänischen Bergtanzes, bis zu modern freiem Stil und traditionellen Ballettelementen. In diesen Bildern fand sich die Entwicklung des Menschen wiedergegeben. Die Eleganz der Bewegung und Haltung im klassischen Stil und die Begegnung zwischen Mann und Frau fanden hier ihren Höhepunkt im Pas de deux. Von spielerisch leicht bis nachdenklich schwebten Mikiko Arai und Damien Liger in dieser Phase über den Brettern die die Welt bedeuten. Der Versuch zu fliegen, der in der Seele des Menschen angelegt ist, fand seinen Ausdruck. Lag am Ende doch die letzte Generation auf dem Boden, geformt und doch nicht mehr zu tanzen bereit, wälzte sich das Einzelwesen über die Fläche. Der Zauber der Bilder wirkte nach, in plastischer Deutlichkeit und strahlender Ausdruckskraft. Lichtdesigner Rainer Ludwig lotete die Tiefen aus, stellte diese hervor. Im Schlußbild erschien Hélène Yousses helle gebeugte Skulptur der Tarantata im Hintergrund, still erinnernd an die Leiden der Vergangenheit.
Yvonne Pouget schuf mit diesem Musiktanztheater, in dem sie fantastische Künstler versammelte, eine Seelenreise par excellence, die man als facettenreich kunstvolle Aufführung betrachten und genießen, oder auf die man sich einlassen und dadurch den eigenen Himmel weiten konnte.
C.M.Meier

Süddeutsche Zeitung, Bayern – Kultur // Nachbericht vom 11. November 2013
Konzentriert und präzise – Yvonne Pougets ‘Die Füße und Ohren der Engel’

München – Eigentlich hätte der für das Deutsche Museum ungewöhnliche Abend schon früher stattfinden sollen. Doch eine Bandscheiben-OP der Tänzerin und Choreografin Yvonne Pouget kam dazwischen. Und weil die prima zum Thema passt, sieht man nun Filmaufnahmen davon in ‘Die Füße und Ohren der Engel’: einem Tanztheaterstück zum ‘Leben mit Ersatzteilen’, das in der Kulisse des Zentrums Neue Technologien unwillkürlich das Kreatur-Maschine-Thema evoziert. Und wie schaurig-schön vermischen sich dessen Pole in der Geräuschkulisse: Vermutlich nicht komplett aus dem Bauch eines MRT kommende Laute, die an das Kreischen von Rädern oder Stahlseilen denken lassen, aber auch an Vogelgezwitscher und Walgesänge…

…dass die in München lebende Süditalienerin mit Butoh-Background außer einem noch jungen Fremdkörper in de Halswirbelsäule schon seit mehr als zwanzig Jahren keine Haare hat, ist Thema des herzzerreißenden Solos, mit dem der Abend beginnt: Kleine, extrem verlangsamte Bewegungen, die jede für sich Bedeutung erlangen. Vom gelegentlichen Absenken des ganzen Körpers bis zu den Zehen, die sich unter dem bodenlangen Kleid in den Boden krallen. Oder die Hände, die sich wie in Abwehr erheben um allmählich die Perücke vom Kopf zu ziehen, während das Gesicht alle denkbaren Emotionen zeigt.
Von vergleichbarer Wucht ist auch das zweite Bild, in dem David N. Russo nahtlos an Pougets Körpersprache anknüpft, um die Verletzlichkeit eines an sich makellosen Körpers zu demonstrieren. Und mit dessen ersten Drehungen und Sprüngen schleicht sich auch das klassische Ballett ins Bild, das später – unterbrochen von Live-Musik und -Gesang (Giacomo Di Benedetto, Anna-Maria Hefele) – in einem Pas de deux der wiedergeborenen Seelen mit Russo und der ebenfalls wunderbaren Natalia Palshina für einen Höhepunkt sorgt. (Sabine Leucht)

acesstodance.de // Nachbericht vom 10. November 2013
AN EVENING FULL OF EMOTION
“Die Füße und Ohren der Engel – Leben mit Ersatzteilen “ by Yvonne Pouget

Pouget refers with her performance at the Zentrum Neue Technologien, Deutsches Museum to the title of a special exhibition concerning prosthetics that the Deutsches Museum had shown in 2004.
Matteo Sacco who studies contemporary dance in Munich writes about his experiences
concerning Pougets new creation.
Some shows begin with lights being switched on. The experience of watching Yvonne Pouget’s “Die Füße und Ohren der Engel – Leben mit Ersatzteilen”, presented on the 7th and 8th of November, begins earlier as you approach the Deutsche Museum: at night, with very few people walking around the big and majestic building. After entering the elegant wooden doors you find yourself wandering through a series of silent halls, full of the spectacular objects belonging to the Museum’s permanent collection, led by small signs pointing ever one door further.
So you go on finding, at last, the chamber where the show takes place: A technological large space, vaguely reminiscent of nuclear experiments, filled with panels of dark iron and strange machineries. The sitting allows you to see all of it from a high perspective. The overall feeling is of an installation and the visual richness of what it is about to begin can only enhance this sensation by opposition. Like in those art works where evoking old objects are juxtaposed with cold industrial neutral environments.
Yvonne Pouget, an Italian-born and Munich-based artist, had trained by butoh-masters Ko Murobushi and Carlotta Ikeda. She opens the show with unbelievable power, constructing an atmosphere of mystery and emotion that is only taken further by the dancers Natalia Polshina and David N. Russo and the musicians-performers Anna-Maria Hefele and Giacomo Di Benedetto.
The shows does not surprise for its fluency but rather for the lack of it, for a form which reminds of the structure of a music album, where each song is played individually but in the contest of the whole work.
So, scene after scene, we see a world created, carved by Rainer Ludwig’s strong light design and music from the depths of Southern Italy. Yet again, so much emotion displayed on the cold concrete of the Deutsche Museum.
Some songs may be liked better than others but there is no question in the virtuosity of everyone involved.
Between impossible slow motion and fluid graceful dancing, live music echoing the great hall, the show leaves you maybe not knowing but wondering, until all the truth that is needed is expressed in the serious look of the choreographer, as she takes the final bow. There you see the beauty of an intimate thing given to the world to savor.
Matteo Sacco

Gastspiel „Corporalità“ als Eröffnungsproduktion des Giovanni-Paisiello- Festival 2012, Diozesanmuseum, Taranto

Paisiello zwischen Orient und Okzident
Von Gionvanni Fornaro

Veröffentlicht am 11.09.2012 in der Tagenszeitung „Corriere Del Giorno“ / drammaturgia.it

Es ist eine Freunde festhalten zu können, das es in der uninspirierten, derangierten Situation in der sich das zeitgenössische Theater auf lokaler wie auf nationaler Ebene befindet, dennoch möglich ist, eine so herausragende Arbeit zu produzieren, durch außerordentliches Engagement, das hier wie im besten Fall einen Erfolg auf höchstem Niveau auf sowohl menschlicher als auch künstlerischer Ebene hervorgebracht hat.

Und genau das gilt es festzuhalten, wenn man über die Eröffnungsproduktion des Giovanni Paisiello Festival 2012 resümiert, das wie im Vorjahr wieder im Rahmen der Festival für Alte Musik (musicaanticainpuglia.it), organisiert von Puglia Sounds statt findet. Auch wenn Corporalitá, mit teilweise anderen Musikstücken und in anderer Besetzung schon 2008 in Schwäbisch Gmünd aufgeführt wurde, was die Verbindungen zwischen „coreutica“ und dem Repertoire von Paisiello betrifft handelt es sich beim dem Stück um eine Premiere.

Die Produktion lässt sich als eine Form von experimentelles Tanztheater beschreiben, die in ihrer Ausdruckform das Ziel verfolgt, eine tiefere Verbindung zwischen Verstand und Körper, zwischen Wille und Möglichkeit zu schaffen.

Die Choreografin, Regisseurin, und Tänzerin Yvonne Pouget, hat ihren künstlerischen Wohnsitz in München und ist wohl bekannt und hochgeschätzt in der internationalen Tanzszene. Ihr gelingt eine vielschichtige Verschmelzung zwischen den Erfahrungen mit dem japanischen zeitgenossischen Theater – besonders in der Tanzausdrückform BUTOH – und den klassischen und zeitgenossischen Tanztechniken. Daraus entsteht eien Ausdruckskunst von hoch beeindruckender Art, die direkt ins Herz, in des Zentrum, was es bedeutet Mensch zu sein trifft. Auf der Bühne als auch im Zuschauerraum sit alles von einem emotionalen roten Faden durchzogen, der eine ständige Spannung zwischen den Tänzern und dem Publikum hält.

Das Tanztheater lebt von dem ständigen Dialog zwischen den zwei Tänzern/Schauspielern
(Yvonne Pouget mit dem herausragenden David Russo), und bewegt sich in einer Reihe von Bildern/Tableaux, die teilweise mehr eingeständig, und manchmal nahtlos miteinander verbunden wirken.

Das erste Tableaux, mit Pouget allein auf der Bühne, zieht die ganze Aufmerksamkeit (auch dank der Beleuchtung der Feilichtbühne, dem wunderbaren Klosterhof des Diozösanmuseums für Heilige Kunst /„Museo Diocesano di Arte Sacra“ in Taranto) auf einige der wesentlichen Aspekte der Tanzform BUTOH: der weißgetünchte Körper, die für die japanische Theaterform typischen maskenhaften Grimassen, das Aufeinanderfolgen von Bewegungen, manchmal sehr langsam und kontrolliert, manchmal frenetisch und sehr schnell in einer Art Katharsis, als Ausgangpunkt mit einer schwarzen Maske, untermalt von einem Soundteppich aus elektronischen Musik ähnlich der Art von Karlheinz Stockhausen.

Die Szene geht nahtlos in das nächste Tableaux über, bei dem Russo allein auf der Bühne steht, sein Tanz immer mit ganz langsamen aber körperlich ausdrucksstarken Gesten. Er tanzt auf der wunderschönen und sehnsuchtsvoll-mitreißenden Eröffnungsstückes der Oper „ Il Pulcinella vendicato nel ritorno di Marechiaro“, von Paisiello, mit der außerordentlichen Stimme von Pino de Vittorio. Das schafft eine Atmosphäre in der die Zeit still zu stehen scheint, gebrochen nur von den schnellen Momenten der Tarantella innerhalb des Musikstückes, in denen der Tänzer virtuose Einlagen bringt, aus rein choreograpischer Betrachtung aber mehr orthodox.

Schon in einigen ihrer Produktionen widmet Yvonne Pouget eine besondere Aufmerksamkeit dem Barock, nicht nur was die Musik, sondern auch was die Kostüme betrifft. Das ist auch der Fall beim nächsten Tableaux der Aufführung, in dem sich ihre Gesichtsmimik mit teilweise extremem Ausdruck, aber immer mit strengster, kontrollierter Bewegung, in einer barocken Robe verdichtet, diese reich geschmückt mit Knöpfen und Accessoires. Ein Gewand, das wesentlich dazu beiträgt, um einen Zustand des Schmerzes, und dann einer Art Geburt zum Ausdruck zu verleihen- durch den Tänzer, der aus dem Kleid, unter den Rock des Kleides auftaucht, in einer Position, in der man deutlich einen Fötus erkennt – dieses Tabeaux hat wie kein anderes eine große Emotion im Publikum hervorgerufen.

Aber das Genie von Pouget zeigt sich in der Auswahl der darunterliegenden Musik: einer bekannten Tarantella del Gargano, immer mit der magnifica Stimme des Sängers aus Leporano, teilweise neu interpretiert und danach eine zweite Arie aus dem Pulcinella von Paisiello.

Die Aufführung setzt sich fort mit weiteren Tableaux, in denen sich sie die beiden
Künstler zwischen einer Umsetzung von Barock und eines Repertoires, das mehr der apulischen Tradition verbunden ist, mit Verwendung von elektronischer Musik. Die Aufführung lebt durchgängig durch eine Art „Notwendigkeit des Ausdrucks“, die sich immer aus den tiefsten Ebenen der Psyche und der Emotionen nährt: angefangen von der nahezu reglosen Position Russos , der wie ein Bergarbeiter in einer schrägen festgezurrten Positur verhaaren muss, bis zu den horizontalen, unendlichen Spiralen der Pouget, diese jetzt fast ganz nackt und mit weißgetünchtem Körper, die ihren Höhepunkt in der Ausstoßung eines obskuren, tiefen Schmerzen erreicht, der ganz im Kontrast zu dem Inhalt des bekannten und aus der Tradition stammenden Musiktückes „ io tengo un suricillo“ („Tarantella di Sannicandro“) steht.

Das Tanztheater endet mit einer Choreographie beider Akteure, in der das choreografische Gespräch, langsam und innig, untermalt wird von einem der schönsten neapolitanischen Liedern: So’ le sorbe le nespole amare von Leonardo Vinci. Dieses Musikstück, das – auch wenn für eine Opera Buffa Lo Cecato fauzo ( 1719) geschrieben wurde, wurde vom Publikum in den Olymp der meist gefeierten Tradition erhoben. In der verwendeten Version besonders gelungen mit der Stimme von Pino de Vittorio, begleitet von klassischer Gitarre und Cello.

Ein sehr langer Applaus hat deutlich unterstrichen wie gut die Aufführung beim Publikum angekommen ist: ein gelungener Auftakt des Festivals unter der Leitung von Lorenzo Mattei und der „Associazione Amici della Musica Arcangelo Speranza“. Es bleibt nur ein Punkt, den man ehrlich bemängeln muss: dass es nicht möglich war Pino De Vittorio und seine fantastischen Musiker live bei diesem Ereignis zu präsentieren. Denn es wäre eine zusätzlich großartige Möglichkeit gewesen um diese Aufführung von größter künstlerischer und menschlicher Relevanz genießen zu dürfen.

Yvonne Pouget ist Mitglied der Tanztendenz München, e.V.

 

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